Christoph - Brettspielbox

Christoph Post

Jedes Jahr, so rund vier bis sechs Wochen bevor die Nominierungen zum Spiel des Jahres und Kennerspiel des Jahres durch die Jury bekannt gegeben werden, verwandelt sich die Brettspielcommunity in ein fieberhaft spekulierendes Kollektiv. Content-Creator:innen, Brettspielnerds und Gelegenheitszocker:innen – sie alle geben ihren Senf dazu, welche Spiele die begehrten Plätze auf den beiden Nominierungslisten ergattern könnten und welches Brettspiel ganz oben liegt. Aber warum ist das so? Warum scheint es, als ob jeder seine Meinung zur Wahl abgeben möchte? In dieser Kolumne tauche ich nach dem Phänomen des Nominiertenratens, um die Faszination und den Reiz dieses jährlichen Rituals zu ergründen.

Die Anziehungskraft der Vorhersage

Der Drang, Vorhersagen zu treffen, ist tief in uns Menschen verankert. Ob es um Sportergebnisse (bald ist Fußball-EM), Wahlausgänge (Landtags- und Europawahlen) oder eben Brettspielnominierungen geht – das Bedürfnis, zu antizipieren und zu prognostizieren, ist ein wesentlicher Teil unserer Natur. Es gibt uns das Gefühl, unsere Zukunft ein Stück weit kontrollieren zu können sowie unser Wissen und unsere Expertise unter Beweis zu stellen. Für die Brettspielcommunity, die oft aus leidenschaftlichen und gut informierten Spielenden besteht, bietet das Nominiertenraten eine perfekte Gelegenheit, ihr Fachwissen und ihre Vorhersagefähigkeiten zu demonstrieren und zu fachsimpeln.

Gemeinschaft und Austausch

Das Nominiertenraten ist mehr als nur eine Übung im Spekulieren; es ist in gewisser Form ein soziales Ereignis. In den Wochen vor der Bekanntgabe der Nominierungen herrscht in diversen Foren wie z.B. Unkowns, aber auch bei einzelnen Blogs und vor allem in den sozialen Medien wie YouTube oder Instagram ein reges Treiben. Intensive Diskussionen darüber, welche Spiele es auf die Liste schaffen könnten, bieten reichlich Stoff für Gespräche und Austausch. Dieser kollektive Austausch stärkt die Gemeinschaft und schafft eine Atmosphäre des Miteinanders. Jeder kann seine individuelle Meinung einbringen, Argumente austauschen und eventuell neue Brettspiele entdecken, die er vielleicht noch nicht auf dem Schirm hatte.

Die Bedeutung der Auszeichnungen

Das Spiel des Jahres und das Kennerspiel des Jahres sind die wohl prestigeträchtigsten Auszeichnungen in der Welt der Brettspiele. Eine Nominierung oder gar der Gewinn kann den Erfolg eines Spiels maßgeblich beeinflussen. Die Auszeichnungen sorgen nicht nur für gesteigerte Verkaufszahlen, sondern auch für erhöhte Aufmerksamkeit und Anerkennung in der Community. Daher ist es wenig verwunderlich, dass die Nominierungen und am Ende die finale Auszeichnung mit so großer Spannung erwartet werden. Für viele Brettspielfans ist das Nominiertenraten auch eine Möglichkeit, ihre Favoriten zu unterstützen und ihnen öffentlich die Daumen zu drücken.

Der Reiz des Wettbewerbs

Für viele ist das Nominiertenraten auch eine Form des freundschaftlichen Wettbewerbs. Wer kann die meisten Nominierungen richtig vorhersagen? Wieviel von sechs Titel habe ich richtig prophezeit? Wer hat den besten Riecher für die Trends und Vorlieben der Jury? Diese spielerische Komponente sorgt für zusätzlichen Spaß und Spannung. Der Wettbewerbsgedanke fördert das Engagement und motiviert viele, sich noch intensiver mit den potenziellen Kandidaten auseinanderzusetzen.

Ein Blick hinter die Kulissen der Jury

Ein weiterer spannender Aspekt des Nominiertenratens ist der Versuch, die Entscheidungsprozesse der Jury zu durchschauen. Wie denken die Juroren? Welche Kriterien sind ihnen besonders wichtig? Worüber hat der ein oder die andere in den letzten Wochen geschrieben oder gesendet? Durch das Analysieren vergangener Entscheidungen und das Diskutieren aktueller Trends versuchen viele Brettspielenthusiasten, ein Stück weit hinter die Kulissen zu blicken und die Denkweise der Mitglieder:innen der Jury zu antizipieren. Dieses Rätselraten um die Kriterien und Präferenzen der Juroren verleiht dem Nominierten Raten eine zusätzliche Dimension.

Die Rolle der Content-Creatoren

Content-Creatoren spielen in der Welt des Nominierten Ratens eine besondere Rolle. Durch ihre Reviews, Podcasts und Videos tragen sie maßgeblich zur Meinungsbildung innerhalb der Community bei. Viele Spielende orientieren sich an den Einschätzungen und Empfehlungen der Influencer, denen sie folgen. Die Content-Creatoren wiederum nutzen das Nominiertenraten, um ihre Expertise zu unterstreichen und ihre Reichweite zu erhöhen. Kaum ein Kanal, der nicht seine 2 Cents in den Hut wirft, um sich die entsprechenden Clickzahlen zu sichern. Insbesondere Videos zu den Nominierungen werden wie viele Top-Listen gerne gesehen. Durch das Erstellen von Prognosen und das Kommentieren der Nominierungen können sie ihre Community zudem aktiv einbinden.

Fazit

Das Nominiertenraten zum Spiel des Jahres und Kennerspiel des Jahres ist weit mehr als nur eine Spielerei. Es ist ein sich jährlich wiederholendes Ritual, das die Brettspielcommunity enger zusammenbringt, den Austausch und die Diskussion fördert und die Spannung und Vorfreude auf die bevorstehenden Nominierungen steigert. Ob als Ausdruck der eigenen Expertise, als soziales Ereignis, als Form des Wettbewerbs oder als Versuch, die Juryentscheidungen zu durchschauen – das Nominiertenraten ist ein Phänomen, das die Leidenschaft und Begeisterung der Spieler für ihr Hobby widerspiegelt. Es zeigt, dass Brettspiele weit mehr sind als nur ein Zeitvertreib – sie sind ein verbindendes Element, das Menschen zusammenbringt und inspiriert.

Am Dienstag, 11. Juni 2024, um 16 Uhr wissen wir mehr. Dann werden die Longlist und Shortlist bekanntgegeben werden.

Wer selbst aktiv werden möchte, hat noch die Gelegenheit bis zum 31.07.2024 selbst seine Lieblingsspiele im Rahmen des Deutschen Spielepreises zu küren (LINK).

– Christoph Post, www.brettspielbox.de

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