Wenn der erwartete Shitstorm (nahezu) ausbleibt

Mathias - Cliquenabend

Mathias Rekasch

Letztens – genauer gesagt vor etwa zwei Wochen – fand die Bekanntgabe der Longlists und Shortlists (Nominierungen) der Jurys zum Kinderspiel des Jahres und zum Kennerspiel und Spiel des Jahres statt. Und wie eigentlich in jedem Jahr wartete ich nach 25 empfohlenen und darunter neun nominierten Spielen auf etwas, wonach man eigentlich immer die Uhr stellen kann … den Shitstorm!

Das spannende an diesem jährlichen Shitstorm ist ja jedes Mal, dass sich größtenteils Spieler:innen über die Wahl der Jurys echauffieren, die gar nicht Zielgruppe der Preise sind. Fairerweise muss man zugestehen, dass die Empörung sich in der Regel auf das Kennerspiel des Jahres und das Spiel des Jahres und deren Listen beschränkt. In diesem Jahr ist nun aber etwas Sonderbares passiert: Der Shitstorm in den sozialen Netzwerken blieb (nahezu) aus. 

Natürlich gibt es immer ein paar Menschen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, gegen die Entscheidungen der Jury zu sein – komme, was wolle. Aber ich kann mich persönlich nicht erinnern, wann die Entscheidungen der Jury im Mai eines Jahres zum letzten Mal auf eine so breite Zustimmung wie in diesem Jahr getroffen sind. Woran das liegen kann, hat vermutlich vielfältige Gründe.  Zum einen gab es schon im Vorfeld bei den Blogger:innen zu vielen nun genannten Titeln einen recht breiten Konsens. Nicht immer wurden die Titel exakt so vorhergesagt – auf erweiterten Listen tauchten fünf der sechs Titel aber auf breiter Basis auf. Mit dem Spiel MicroMacro: Crime City gab es dieses Mal auch wieder einen Titel, der schon seit Erscheinen als potenzieller Kandidat für das Spiel des Jahres gehandelt wurde. In diesem Frühjahr erging es dem Spiel Die Abenteuer des Robin Hood nahezu ähnlich, wenn auch nicht ganz so ausgeprägt. Ist es also dieser breite Konsens vieler Blogger:innen, der auch die Spieler:innen in diesem Jahr überzeugt hat? Gut möglich, zumal lediglich der Titel Zombie Teenz Evolution in dieser Kategorie für einige Überraschung sorgte. Vielleicht hätte man es nach der Empfehlung des Vorgängers Zombie Kidz Evolution für das Kinderspiel des Jahres 2020 erahnen können, aber ich muss zugeben, dass ich persönlich nicht damit gerechnet habe. 

Beim Kennerspiel des Jahres waren sich Spieler:innen und Blogger:innen größtenteils einig, dass der Jahrgang viele tolle Titel beinhaltet – auch wenn sich Spieler:innen nicht selten deutlich komplexere Titel wünschen als in der Regel nominiert oder empfohlen werden. Aber auch hier ist die Zufriedenheit relativ groß. Natürlich diskutieren nicht wenige, ob Fantastische Reiche wirklich ein Kennerspiel ist oder nicht eher darunter liegt, aber die Begeisterung für das Spiel ist sehr groß. Auch Die verlorenen Ruinen von Arnak wurde stark gelobt in den letzten Monaten und ist aus allen sechs Spielen sicherlich der „klassischste Titel“. Da auch Paleo oft bei möglichen Spekulationen genannt wurde und man mit Wasserkraft und Gloomhaven: Die Pranken des Löwen in diesem Jahr gleich zwei sehr komplexe Titel empfohlen worden sind, ist eine breite Konsens-Basis der Spieler:innen auch für diese Entscheidungen keine Überraschung – zumal mit Aeon’s End und Riftforce zwei weitere beliebte Titel ebenfalls empfohlen wurden. Ist es vielleicht auch die nochmal leicht veränderte Zusammensetzung der Jury im Vergleich zum letzten Mal?! Wer weiß … nicht selten sorgen solche Veränderungen auch für den ein oder anderen Titel auf den Listen. Das fällt aber absolut in den Bereich der Spekulation.

Mich persönlich freut es für die Jury, dass der jährliche Shitstorm in diesem Jahr nahezu ausgeblieben ist, ist die Aufgabe aus über 300 Titeln die passenden für die beiden Listen herauszusuchen doch wahrlich nicht einfach. Daher ziehe ich in jedem Jahr meinen Hut vor diesen Entscheidungen. Und da ich in diesem Jahr fünf der sechs Nominierten richtig getippt habe, kann auch ich in diesem Jahr nicht meckern … 😉

– Mathias Rekasch, www.cliquenabend.de