Online Brettspielen … das ultimative Spielerlebnis? Wirklich?

Andreas „Smuker“ Buhlmann

Letztens hatte ich zum ersten Mal seit Jahren die Gelegenheit, Brettspiele online kennen zu lernen bzw. zu spielen. Das letzte Mal als ich aktiv Brettspiele regelmäßig online gespielt habe, ist schon sehr lange her … Ich erinnere mich an mein Leben in einer kleinen 1- bis 1½-Zimmer-Wohnung in München bei meinem ersten Arbeitgeber. Da ich meine damalige Freundin und jetzige Frau durch den Fern-Job nur alle drei Wochen für ein paar Tage am Stück gesehen habe, haben wir natürlich jeden Tag telefoniert bzw. „Teamspeak“ verwendet und dabei World of Warcraft oder Ähnliches gespielt. Als eine der regelmäßigen Routinen hat sich hier auch die Brettspielwelt ergeben. Unser meist gespieltes Spiel auf dieser Plattform war Piranha Pedro, dies hatte tatsächlich mehrere Gründe. Zum einen waren die Spielregeln uns schon bekannt und wenn man es mit neuen Mitspielern ausprobierte, schnell erklärt. Zum anderen war das Spiele liebevoll umgesetzt (ich erinnere mich jetzt noch an das Platsch-Geräusch wenn man ins Wasser fällt) und hatte eine recht kurze Spielzeit (20–30 Minuten). Damals war das recht spaßig. Ich telefonierte bzw. teamspeakte mit meiner Frau/Freundin und Freunden aus Frankfurt und hatte gleichzeitig ein gemeinsames virtuelles Spielerlebnis. Hinzu kam, dass das Brettspiel mit einprogrammierten Regeln gut umgesetzt war und man hier ein deutlich schnelleres Spiel mit weniger Spielverwaltungsaufwand genutzt hat.

Seit dieser Zeit hatte ich weniger Kontakt zu elektronischen Brettspielen, wobei es hier und da Ausnahmen gab mit Umsetzungen fürs Handy oder die Spielekonsole. Grundsätzlich spiele ich aber viel lieber am Spieltisch mit echten Menschen, mit denen wir dann meistens auch den gesamten Tag und Abend verbringen. Zum Glück habe ich auch einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, der gerne zu uns zum Spielen kommt.

Die Coronakrise brachte mich nun kurz vor der SPIEL.digital dem digitalen Brettspiel wieder näher, da viele Verlage uns Bloggern die Brettspielneuheiten per Tabletopia oder ähnlichem vorgestellten. Als Plattform gibt es hierbei viele verschiedene Anbieter, Tabletopia hat sich aber durch den kostenlosen Account und der sehr schnellen Umsetzung für den Verlag als relativer Standard ziemlich durchgesetzt. Die schnelle digitale Umsetzung hat natürlich aber auch so ihre Tücken. Grundsätzlich werden in dieser Plattform nämlich keine Spielmechaniken als Programmiercode hinterlegt, die zum Brettspiel passen. Die Plattform bietet generelle Spielmechaniken die hinterlegt sind und das ist ein recht großer Unterschied zu Plattformen wie der Brettspielwelt oder einer Konsolen- oder PC-Umsetzung, wo ein Spiel über Monate digitalisiert wird, der mir vorher so gar nicht aufgefallen wäre.

Tabletopia (oder auch die Plattform VASSAL) bietet generische Mechaniken wie:

  • Ziehe eine Karte
  • Spiele eine Karte
  • Mische einen Stapel
  • Nimm eine Karte (mit der Maus), führe sie mit der Maus und lege sie dort ab
  • Nimm einen Gegenstand
  • etc.

Grundsätzlich muss der Verlag hier also nur Spielgrafiken und Formen hochladen. Dann definiert man einen Startaufbau, der abgespeichert wird und probiert mit Grundelementen aus, ob man das Spielgefühl digital vereinfachen kann (z. B. mit digitalen Stoffbeuteln, wo man Dinge herausziehen oder hineinlegen kann, selbst wenn das Originalspiel so etwas nicht verwendet). Das Ganze ist wie gesagt recht einfach von Verlagsseite umzusetzen, hat aber natürlich auch so seine Tücken. Zum einen kann man seine Mitspieler per Kamera nicht sehen (was tatsächlich einen Teil des Spielvergnügens nimmt) und zum anderen verwenden die meisten zusätzliche Programme wie Discord, um eine Audioverbindung zu gewährleisten. Dies macht den Einstieg in die digitale Spielwelt natürlich etwas schwerer.

Der Hauptkritikpunkt, warum ich in meiner Freizeit diese Spielart allerdings nicht gerne ausführe, ist folgender. Dadurch, dass die Spiele keine für sie exakt programmierte Umgebung verwenden, ist das Handling nicht so einfach. Karten werden nicht auf der Hand sortiert und wenn man sie übersichtlich „digital“ halten möchte, muss man sie mit der Maus genauso wie am echten Spielmaterial sortieren. Das dauert aber deutlich länger, als wenn ich das mit meinen realen Händen ausführen muss. Spielfiguren fallen auch mal um bzw. lassen sich nicht so einfach greifen oder zielgerecht platzieren. Oder stoßen gegen andere Dinge und verändern die Umgebung. Teilweise gibt es hierbei sogar manchmal grafische Fehler, die nur durch einen Reload der Webseite beheben lassen (was dann 2 Minuten dauert und die Mitspieler müssen warten). Bestimmte Mechaniken lassen sich nur händisch ausführen, was dann viele Mausklicks erfordert und ein millimetergenaues Kontrollieren des Mauszeigers.

Meine Spielpartien haben dabei gezeigt, dass Kartenspiele dabei am einfachsten zu spielen sind. Zwar sind sie trotzdem eine umständlichere Spielart als „live“ am Tisch, aber noch gut händelbar. Wenn man nun aber zu komplexen strategischen Spielen wechselt, ergeben sich dadurch einige Herausforderungen. Der Kamerawinkel muss öfter angepasst werden, man muss raus- und reinzoomen, man muss verschiedene Dinge bewegen, nehmen und ablegen. Das Ganze erhöht die Spieldauer immens. Schnell wird dadurch aus einem Spielerlebnis, das am realen Tisch zwei Stunden dauert, ein Fünf- bis Sechs-Stunden Work-out. Das ist nicht nur schädlich für die Spieldauer, sondern auch für den Spannungsbogen und sorgt auch für wiederkommende Frustmomente, wo das digitale Spielfeld einfach gerade mal nicht so will, wie ich mir das vorstelle.

Hinzu kommt tatsächlich noch ein letzter Punkt, der mir zum Glück so noch nicht passiert ist. Stellt euch mal vor, ihr spielt ein schönes spannendes Spiel für zwei Stunden, und jetzt verliert nur einer der Mitspieler das Internet oder hat keine Lust mehr und geht einfach raus. Das Spiel kann dann so nicht weitergespielt werden, denn die Spielsituation ist ja für mehr Personen aufgebaut. Es gibt hier also wirklich viele Hürden, die mich darin hindern, eine solche Plattform regelmäßig zu verwenden.

Nichtsdestotrotz haben mir die digitalen Plattformen ermöglicht, die Neuheiten kennenzulernen (man kann ja Spiele auch einfach nur mal für ein bis zwei Runden anspielen) und mit sämtlichen Bekannten und Freunden aus der Brettspielblase Kontakt zu halten, gerade in der Vorberichterstattung der SPIEL. Wobei wir hier natürlich auch viele Videokonferenzen durchgeführt haben, aber das ist dann wieder ein anderes Thema, was wir sicherlich hier auch mal beleuchten sollten.

Somit ist es am Ende des Tages für mich schwierig zu beurteilen, wie es ohne solche Plattformen aussehen würde, gerade zur aktuellen Zeit. Ich bin also nicht wirklich gegen diese digitalen Spielversionen, nein, ich finde die Kernidee gut. Wenn ich allerdings die Wahl habe, wie ich mich in meiner Freizeit mit Spielen beschäftige, werde ich in persona damit tatsächlich nicht glücklich. Aber die Zunahme der Profile und Benutzerzahlen der Plattformen hat seit 2019 deutlich zugenommen und ich verstehe auch das Warum. Ich selbst werde aber wohl nie zu den regelmäßigen Benutzern gehören.

– Andreas Buhlmann, www.cliquenabend.de