Peer Sylvester

Letztens habe ich eine Rezension von einem anderen Beeple-Mitglied gelesen. Ich werde hier weder den Namen des Spieles noch den Namen des Rezensenten nennen, denn ich war empört. Empört! Jawohl! Der liebe Kollege hat seiner Freude über ein Spiel ausgedrückt, mit dem ich so gar nichts anfangen konnte. Schlimmer noch: Es war ein Spiel, über dass ich mich richtig geärgert habe – und er fand es einfach gut. Tztztz.

Bevor ich Petitionen gestartet habe, den Kollegen doch bitteschön aus Beeple zu entfernen, habe ich aber erst einmal meine eigene Reaktion hinterfragt: 

Warum habe ich eigentlich so heftig auf eine andere Meinung reagiert? Normalerweise tue ich das nicht, nicht einmal bei Rezensionen meiner eigenen Spiele. Es lag tatsächlich nicht an der Rezension sondern am Spiel: Meiner Meinung nach war das ein extrem „faules Design“: Eine gute Kernidee, mit absolut den offensichtlichsten Mechanismen unterfüttert, und so ein Spiel, das sich spielt wie eigentlich alle anderen des Genres auch, eher sogar schlechter als besser. Dabei ärgerte mich weniger, dass mir das Spiel keinen Spaß gemacht hat, sondern dass ich das Gefühl hatte, der Autor hat es sich einfach gemacht und hat sein Spiel dennoch veröffentlicht bekommen, wo viele andere, m.E. bessere, Prototypen scheitern (und zur Klarstellung: Damit meine ich nicht nur meine eigenen Protos). 

Dass jetzt jemand anderes Spaß an dem Spiel hat, konterkariert aber diese Sichtweise natürlich. Vielleicht ist das Design doch nicht so dahin geklatscht? Vielleicht war die Wertung doch besser durchdacht, und ich habe das nur nicht erkannt? Haben meine Emotionen meine analytischen Fähigkeiten blockiert? Diese Rezension hinterfragt so nicht nur meine Arbeit als Kritiker, sondern vor allem auch meine Fähigkeiten als Autor – kann ich wirklich erkennen, was ein gutes Design ist und was nicht? Durchdenke ich zu viel und übersehe bessere Lösungen? Kommt Prototyp XYZ in den Redaktionsrunden deshalb nicht so gut an wie in den Testpartien, weil ich die offensichtlichen Probleme nicht sehe? 

Diese Interpretation der Rezension und damit auch meine Reaktion ist natürlich schlicht übertrieben. Prinzipiell ist es etwas Gutes, wenn ein Spiel beim Publikum gut ankommt. Der sofortige Impuls „Ich muss das richtig stellen: DAS! IST! KEIN! GUTES! SPIEL!“ ist daher ein Impuls, den man abstellen sollte – verleiht jemand seiner Freude über etwas Ausdruck, dann ist niemanden geholfen, wenn man das ungefragt relativiert. 

Es wird oft behauptet, Rezensionen seien immer komplett subjektiv, das ist nicht richtig, eine gute Kritik geht auf problematische wie auf unproblematische Aspekte ein, und die meisten dieser Aspekte kann man konkret und unabhängig vom persönlichen Spielspaß benennen. Die Gewichtung der Aspekte dagegen ist der subjektive Teil. Der Kollege legte andere Schwerpunkte fest als ich es tue, er hatte eine andere Perspektive; aber das heißt nicht, dass einer von uns Recht hat. 

Er darf Beeple-Mitglied bleiben.

– Peer Sylvester, www.spielbar.com