Dirk Huesmann

Dirk Huesmann

Manchmal fragt man sich: WARUM?! Brettspiel-Redesigns sind irgendwie wie neue Rezepturen von Lieblingssnacks: Manchmal wird’s besser, manchmal fragt man sich, ob jemand im Marketing zu oft gegen eine Tür gelaufen ist. Aktuelles Beispiel: „Die Quacksalber von Quedlinburg“. Das Kennerspiel bekommt ein optisches Facelift. Schick? Vielleicht. Aber wehe, der geliebte Mittelalter-Trödelmarkt-Charme wird gegen generische Fantasy-Illustrationen mit KI-Anmutung und App-Look ausgetauscht – dann kann es schon einen kleinen Shitstorm in der Brettspiel-Community geben.  

Natürlich gibt es gute Gründe für ein Redesign. Ein Spiel, das aussieht, als sei es in den 90ern bei „Windows Paint“ entstanden, verkauft sich heute eben einfach schwer. Designtrends ändern sich und der Geschmack der Generationen auch. Ein neues und modernes Layout kann ein Spiel lesbarer, verständlicher und vor allem attraktiver für neue Zielgruppen machen. 

Der Brettspielmarkt ist in den letzten Jahren explosionsartig gewachsen – mit Tausenden neuen Veröffentlichungen pro Jahr. In (nahezu) gesättigten Märkten sind starke Markenauftritte und ein ansprechendes Design essentiell, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Ein Spiel, das optisch nicht auffällt, hat es schwer, im Regal wahrgenommen zu werden, selbst wenn die Spielmechanik brillant ist.

Frischzellenkur oder Identitätsverlust?

Ein Redesign kann so auch ganz neue Käuferschichten erschließen. Zum Beispiel indem es von einem „Hobby-Design“ zu einem massentauglichen Look wechselt. Visuelle Ästhetik kann ein entscheidender Faktor für Kaufentscheidungen sein – gerade bei Casual-Kunden, die nicht tief in der Szene verwurzelt sind. Da muss das Spiel vor allem auch visuell auf den ersten Blick überzeugen. Ein neues Design kann demnach eine Frischzellenkur sein, aber eben auch einen Identitätsverlust riskieren. Brettspiele sind vor allem auch Atmosphäre und Emotion. Wer ein erfolgreiches Spiel neu gestaltet, muss dabei viel Fingerspitzengefühl beweisen. 

Wir Brettspiel-Enthusiasten neigen dazu, uns in unserer Bubble einzurichten und jede Veränderung als Angriff auf unser Hobby zu sehen. Aber wenn man mal rauszoomt, merkt man: Es gibt eine riesige Zielgruppe, die wir oft gar nicht auf dem Schirm haben. Menschen, die nur gelegentlich spielen. Familien. Jüngere Generationen mit anderen ästhetischen Vorlieben. Sie alle entscheiden viel stärker nach Optik als nach mechanischer Raffinesse. Und ihnen ist es egal, wie das Spiel früher mal ausgesehen hat und ob eine kleine Gemeinde an Spielbegeisterten den alten Charme nach wie vor liebt. 

Ja, wir lieben den rustikalen Charme der Quacksalber von Quedlinburg. Aber wenn ein neuer Look dazu führt, dass mehr Leute das Spiel entdecken, mehr Kopien verkauft werden und das Spiel länger am Markt bleibt – dann ist das keine Verfälschung, sondern eine sinnvolle Evolution. Denn am Ende stehen auch hinter den Spielen trotz allem handfeste wirtschaftliche Interessen.  

Bleibt zu hoffen, dass bei Die Quacksalber von Quedlinburg das richtige Maß gefunden wird. Sonst sitzen wir bald alle da, schütteln die Köpfe und sagen: „Früher war alles besser“ – während wir weiter mit unseren abgewetzten Originalausgaben spielen und die Preise für diese am Zweitmarkt steigen.

PS: Übrigens, ich werde meine alte Version behalten. 😉

– Dirk Huesmann, www.wuerfelmagier.de