Carina - Brettspielbox

Carina Brachter

Letztens erlebten wir ein „Blind Date“ am Spieltisch, denn wir sind verkuppelt worden. Eine Brettspielfreundin beharrte vehement darauf, dass wir „spielerisch“ doch sehr gut zu einem anderen Paar passen würden, und da wäre es doch quasi eine ausgemachte Sache, dass man sich mal treffen müsste. Nun gut, die Brettspielfreundin hat einen sehr guten Spielegeschmack, da wollen wir ihr mal vertrauen … Also: Gesagt, getan und was soll ich sagen: mehr als vier Stunden, einen schönen neuen „Feld“ auf dem Tisch – viel mehr braucht es nicht, dass es „funkt“ und eine neue (Brettspiel-)Freundschaft entsteht.

Wie geht das, was passiert da in so kurzer Zeit?

Menschen, die sich bisher nur im Rahmen einer gemeinsamen WhatsApp-Gruppe begegnet sind, treffen sich im privaten Umfeld, ohne viel übereinander zu wissen. Sicher quatscht man eine Weile, bevor und während das Spielmaterial auf den Tisch kommt. Man erfährt ein paar Fakten wie Alter, Beruf, Wohnort, wenn überhaupt. Aber das alles kommt nur neben dem Spielgeschehen beiläufig zur Sprache, denn es ist auch irgendwie nicht wichtig. Der Fokus der Unterhaltung liegt auf anderen Themen wie den aktuellen Brettspielneuheiten, der Sammlung, den Lieblingsautoren oder -mechanismen, dem „Pile of irgendwas“ und dem neuen „Heißen Scheiß“. Das sind die Faktoren, die man als erstes abklopft, eine Art Checkliste zur Einschätzung des Gegenübers, die wir doch alle im Kopf haben. Denn wichtig ist doch erstmal, dass man gemeinsam das richtige Spiel auswählt, mit dem man dann die nächste Zeit verbringen kann. Das ist natürlich etwas einfacher, wenn man einen ähnlichen Geschmack hat. Da ist schnell etwas gefunden, das allen Spaß macht. Und immer mehr stelle ich fest: Wer ähnliche Dinge auf den Spieltisch bringt, wird sich auch menschlich eher gut miteinander verstehen.

Durch das gemeinsame Spiel erfährt man außerdem ganz andere Dinge über Menschen als in einem „herkömmlichen“ Gespräch. Man spürt anhand vieler Kriterien, ob man sich sympathisch ist oder nicht. Durch das Spielverhalten von Mitspielenden erfährt man etwas über deren Verbindlichkeit, Lockerheit, Ehrgeiz, Großzügigkeit, Weitsicht, Engstirnigkeit, Humor, Verbissenheit, Motivation, Teamfähigkeit, Emotionen und und und. Auf diese Weise entsteht in sehr kurzer Zeit ein viel bunteres, facettenreicheres Bild der Mitspielenden, als es durch eine eher rationale Unterhaltung zu Stande käme. Und dann „funkt“ es – oder eben nicht.

Es sind bereits tausende Freundschaften am Brettspieltisch entstanden, und ich vermute stark, dass viele dieser Menschen durch eine Unterhaltung auf einer Party oder bei einem Essen mit den üblichen Gesprächsthemen nicht zu Freunden geworden wären. Es ist doch immer wieder erstaunlich, wenn man erst später Fakten über Mitspielende erfährt, die einen vor der Brettspielfreundschaft noch abgeschreckt hätten oder zumindest skeptisch hätten werden lassen, ob man mit diesen Menschen „kann“. Da muss man doch manchmal über sich selbst und seine eigene Oberflächlichkeit schmunzeln.

Aber was rede ich? Neu ist diese Erkenntnis nun wirklich nicht – Platon hat es schließlich vor rund 2.400 Jahren bereits deutlich formuliert: „Beim Spielen kann man einen Menschen in einer Stunde besser kennenlernen, als im Gespräch in einem Jahr“.

Dem ist bis heute nichts hinzuzufügen. Punkt.

– Carina Brachter, www.brettspielbox.de