
Peer Sylvester
Letztens musste ich Eine Studie in Smaragdgrün aus meiner Sammlung entfernen. Das Spiel konnte nichts dafür. Unter normalen Umständen hätte ich es wohl behalten. Aber in großen Buchstaben steht „Neil Gaiman“ auf der Vorderseite des Schachtel, und das ist mir dann doch mehr als nur ein bisschen unangenehm.
Neil Gaiman war einer meiner Lieblingsbuchautoren. Dann kamen zahlreiche Fälle von sexueller Nötigung ans Licht. Er reagierte erst einmal gar nicht, dann mit einem Statement, dass wohl auch den letzten Skeptiker (nicht geschlechtsneutral zu lesen) überzeugte, dass wohl an den Anschuldigen was dran sein musste. Nach wie vor bereitet Gaiman seine Gerichtsverfahren vor, aber er wurde bislang von so ziemlichen all seinen Geschäftspartnern fallen gelassen – zu Recht.
Und nun zurück zu meinem Spiel: Eine Studie in Smaragdgrün ist ein Spiel von Martin Wallace. Lediglich das Setting basiert auf einer Kurzgeschichte von Gaiman. Das Spiel ist zudem bereits bezahlt. Ob es bei mir im Schrank steht oder nicht, hat keinerlei Auswirkungen auf Gaimans Opfer oder Gaiman selbst. Eigentlich berührt das Spiel den Fall nicht, eigentlich spricht nichts dagegen, das Spiel weiter auszuprobieren.
Eigentlich. Und doch verspüre ich jedes Mal, wenn ich den Namen lese, einen kleinen Stich.
Ich kann das Wissen über die Nötigungen nicht ausblenden – dazu sind sie zu schwerwiegend (und ich habe einige von den Anschuldigungen gelesen). Zudem wäre es mir auch sehr unangenehm, eine Schachtel mit dem Namen auf den Tisch zu legen – ich will mit Gaiman in keiner Weise assoziiert werden.
Neal Gaiman ist ja nun nicht die erste problematische Figur, deren Werk sich bei mir (und bei anderen) Beliebtheit erfreute. Es ist viel geschrieben worden, wie und ob man das Werk vom Autor, von der Autorin trennen kann und sollte. Dazu habe ich ein meiner Meinung nach treffendes Zitat gelesen: Die Trennung von Autor und Werk ist ein Ansatz aus der Literaturkritik und ist nicht dafür gedacht, das eigene Konsumverhalten reinzuwaschen. Oder das eigene schlechte Gewissen wegzusperren.
Für mich läuft es aber darauf hinaus: Wenn ich persönlich Bauchschmerzen mit einem Spiel (oder einem anderen Medium) habe, dann spiele ich es nicht. Das ist der einzige Maßstab, der gilt. Es gibt genügend andere Spiele, die mir mindestens genauso viel Freude bereiten – warum also die Zähne zusammenbeißen? Es gibt schlicht keinen Grund dazu!
Andere mögen ihre eigenen Maßstäbe ansetzen, andere mögen sich selbst Gründe konstruieren, um ein Spiel nicht spielen zu müssen oder doch spielen zu dürfen, aber mich tangiert das nicht. Ich entscheide, was ich spielen will. Und wenn eine Person derart problematisch ist, möchte ich sie aus allen Aspekten meines Lebens heraushalten.
Ich kann nur allen empfehlen, in vergleichbaren Fällen dieselbe Messlatte anzulegen.
– Peer Sylvester, www.spielbar.com