
Peer Wandiger
Brettspiele werden immer schöner, das kann wohl kaum jemand bestreiten. Mittlerweile sind die Illustrationen teilweise Kunstwerke, die Meeples schon richtige Miniaturen und das Spielmaterial echt hochwertig. Schaut man sich aktuelle Titel wie SETI, Astrobienen und Das Unbewusste an, dann sind das einfach sehr schöne Brettspiele, die Lust auf mehr machen.
Und das finde ich toll, denn schließlich waren die Spiele vor 20, 30 oder gar 40 Jahren weit weniger beeindruckend. Dünne Pappe, Holzklötzchen, die Illustrationen eher amateurhaft, und alles sah damals schon altbacken aus. Ein Burgen von Burgund sieht einfach nicht gut aus, und auch Funkenschlag reißt niemanden optisch vom Hocker. Da haben wir es heute doch viel besser, oder?
Auf den ersten Blick schon, denn schönere Brettspiele sehen auf dem Spieltisch einfach besser aus. Ich selbst habe oft mehr Lust ein Spiel auszuprobieren, wenn es toll aussieht, und auch Wenigspieler kann man mit schickem Material und coolen Illustrationen eher anlocken als mit drögem Design.
Doch das hat auch seine Kehrseite. Die Gestaltung eines Brettspiels ist viel wichtiger geworden und heute vielerorts das Verkaufsargument Nummer 1. Am extremsten ist das sicher beim Crowdfunding, wo eigentlich fast nur nach Aussehen unterstützt wird und kaum auf Basis des spielerischen Faktors. Das ist da ehrlich gesagt auch oft schwer, denn teilweise gibt es noch nicht mal Regeln.
Aber auch im normalen Fachhandel ist die Gestaltung heute wichtiger denn je. Viele Verlage, die früher die am einfachsten gestalteten Brettspiele veröffentlicht haben, bringen hochwertig designte und ausgestattete Spiele auf den Markt. Mlem ist ein wirklich einfaches (und gutes) Spiel, und die Ausstattung ist wirklich toll. Das gilt zum Beispiel auch für Parks.
Nun fragt der eine oder andere vielleicht, was das Problem daran ist. Schönere Spiele sind doch was tolles. Einerseits ja, aber wie schon geschrieben wird mittlerweile teilweise mehr Wert auf die Gestaltung des Spiels, als auf das Spiel selbst gelegt. Blendwerk gibt es inzwischen auch bei Brettspielen häufig, und ich tappe ehrlich gesagt auch immer wieder in diese Falle. Man sieht im Vorfeld der Messe SPIEL zum Beispiel viele neue Brettspiel-Cover und schicke Fotos. Das steigert den Hype, ohne dass man wirklich weiß, was einen spielerisch erwartet.
Und man darf auch nicht vergessen, dass dadurch die Spiele teurer werden. Das ganze schicke Spielmaterial, 200 verschiedene Kartenillustrationen, Miniaturen, Double-Layer-Boards, Stoffmatten etc., etc. All das macht Brettspiele deutlich hochpreisiger, und dabei werden diese aktuell durch andere Faktoren ebenfalls immer teurer.
Muss es also immer Blendwerk sein oder reicht nicht „gute“ Gestaltung aus? Wieder einfacheres Spielmaterial und dafür nicht so große Boxen? Das ist schwer zu sagen, denn der erste Eindruck zählt eben bei vielen – und das ist auch okay, wenn man sich dessen bewusst ist und über den „Bucheinband“ hinweg ebenfalls darauf achtet, wie gut das Spiel an sich eigentlich ist. Und das wird auch in Zukunft notwendig sein, denn die Verlage werden wohl nicht mehr zurückrudern, sondern weiterhin versuchen, durch ein tolles Äußeres zu überzeugen, gerade wenn das Innere vielleicht gar nicht so gut ist.
Was denkt ihr? Lassen wir uns mittlerweile zu sehr von Äußerlichkeiten bei Brettspielen blenden?
– Peer Wandiger, www.abenteuer-brettspiele.de