Was will uns der Autor damit sagen?

Letztens hatte ich mal wieder Gelegenheit ein paar neue Spiele kennenzulernen. Wie so oft begann die Erklärung mit einem einfachen und fast schon selbstverständlichen Satz, der mich dann doch stutzig machte: „In diesem Spiel geht es um …“

Jede Regelerklärung oder Spielvorstellung fängt mit einem vergleichbaren Satz an. Innerhalb dieses Rahmens ergeben die Regeln einen Sinn. Wer über diesen Rahmen entscheidet, wird jedoch nicht angesprochen. Durch einen Blick ins Regelwerk oder auf die Spielschachtel ist sie ja schon beantwortet. Es geht darum, ein mutiger Abenteurer in einer gefährlichen Fantasywelt zu sein. Vielleicht geht es darum, als Großinvestor viel Geld zu machen. Oder es geht darum, eine Zivilisation zur Weltspitze zu führen.

Aber eigentlich ist das nur der Hintergrund des Spiels. Es sind die schönen Worte, mit denen das Spielen stimmungsvoll verpackt wird, um den Spielspaß zu erhöhen. Es ist der Filter, durch den wir das Spiel betrachten, aber nicht sein Kern.

In einem Spiel geht es nicht um die Fassade des Spiels, sondern um das, was wir als Spieler tatsächlich dabei tun. Orientieren wir uns dabei an den Spielregeln, ähnelt sich diese aber sehr. Es gibt ein Ziel, das wir erreichen sollen. Dafür bietet uns das Spiel durch die Regeln verschieden Handlungsmöglichkeiten. Diese nutzen wir, um die Hindernisse zu überwinden, die uns im Weg stehen.

Wenn die Regeln uns sagen, worum es in einem Spiel geht, ist die Antwort immer die Gleiche: es geht ums Gewinnen. Entweder gegen andere Spieler oder gegen das Spiel selbst. Aber auch hier zeigt die Erfahrung, dass diese Antwort zu kurz greift. Wenn nur das Ziel des Spiels gilt, dann kann man einem Spiel auch keine Relevanz zu seinem Thema unterstellen. Puerto Rico hätte dann genauso viel Nähe zur Realität wie Jenga. Das gesamte Genre des Kriegsspiels und der Cosims hätte keine Daseinsgrundlage mehr. Der historische Hintergrund, den ein Spiel darstellt, wäre reine Farbspielerei. Ein Spiel wie Secret Hitler würde lediglich mechanisch Unterschiede zu einem Spiel wie Azul aufweisen.

Wer mehr als eine Handvoll Spiele kennt, wird wissen, dass man Spiele nicht auf diesen schlichten Gegensatz reduzieren kann. Man kann sie nicht allein über ihre Mechanik oder ihren Hintergrund fassen. Man muss beide Konzepte in Einklang bringen, um wahrheitsgetreu zu beantworten, worum es in einem Spiel geht. 

Diese Antwort kommt dabei aus einer oft und gern ignorierten Ecke. Es ist nicht der Spielautor, der festlegt, worum es in einem Spiel geht. Sobald die Regeln festgelegt wurden, schwindet auch seine Deutungshoheit. Sogar mit Erläuterung im Regelwerk oder Artikeln in Blogs kann ein Autor keine weitere Macht darüber ausüben, wie sich Thema und Regel im Spiel zusammenfügen. 

Es ist die Spielgruppe selbst, die die Frage, worum es in einem Spiel geht, endgültig und verbindlich beantwortet. Wir legen es in dem Moment fest, wenn wir das Spiel erfassen, seine Mechanismen gedanklich ordnen und unser Spielen nach den Dingen ausrichten, die wir für wichtig erachten. Der Weg zu Siegpunkten, das Spielgefühl neuer Mechanismen oder auch die exotische Welt, die das Spiel uns präsentiert. Unsere Überzeugungen werden durch unsere Entscheidung entlarvt. 

Mit dem Spiel legt ein Autor uns verschiedene Dinge vor, aus denen wir auswählen und bestimmen können, worum es beim Spielen geht. Was wir nicht zur Auswahl haben, ist dabei genauso aussagekräftig wie die Dinge, aus denen wir tatsächlich wählen können. Ein Detail, das man sich ab und an in Erinnerung rufen sollte. Gerade weil die Entscheidung, worum es in einem Spiel geht, letztendlich bei uns liegt.

Georgios Panagiotidis (spielbar.com), 30.6.2020