Carina Brachter

Carina Brachter

Letztens wurde mir auf einer Veranstaltung ein Spiel erklärt, das ich gerne kennenlernen wollte. Der Erklärbär fragte zunächst etwas herablassend, wie häufig wir denn spielen – behandelte uns nach unserem Hinweis darauf, dass wir Vielspieler seien, aber immer noch wie blutige Anfängerinnen.
Wir lernten das Spiel also kennen, allerdings benahm sich der Erklärbär blasiert, belehrend einmischend in die Spielzüge, unangenehm unterbrechend und beobachtete pausenlos unser Tun – keine gute Atmosphäre für das Kennenlernen. Und so färbte diese unangenehme Stimmung auch auf das Spiel ab, das ich danach auch nicht käuflich erwerben wollte.

Letztlich habe ich mich aber auch über mich selber geärgert, dass ich die beiden Eindrücke nicht voneinander trennen konnte, und so bekam das Spiel kurze Zeit später eine neue Chance. Und siehe da: In netter Runde war meine Empfindung dazu gleich eine ganz andere und – natürlich absehbar – auch eine deutlich positivere.

Kürzlich konnte ich aber auch ein ganz anderes Erklärbär-Beispiel erleben: Mir wurde von einem Beeple-Kollegen ein Spiel erklärt, von dem ich durch einen anderen Kanal wusste, dass er es gar nicht mag. Die Erläuterung war aber klar, verständlich, sachlich und neutral, und niemand am Tisch hat seine persönliche, negative Meinung dem Spiel gegenüber erspüren können.
Auf diese Weise hatte jeder und jede am Tisch nach der Erläuterung die faire Chance, seine Erfahrungen zu machen und sich seine eigene Meinung zum Spiel zu bilden.

Die Verantwortung von Erklärbären ist groß, denn sie schaffen auf gleich mehreren Ebenen die Grundlage für eine neue Beziehung, die sich zwischen dem Spiel und den Spielenden bilden kann. Welche Beziehung sich bildet – ob es Liebe auf den ersten Blick wird, eine kurze Romanze oder lediglich eine flüchtige Begegnung: das sollte jede:r Spielende unbeeinflusst für sich selber herausfinden dürfen.

Erklärbären sollten daher „nur“ die Voraussetzungen schaffen, Spiel und Spieler:innen einander vorstellen und dies möglichst neutral, indem sie sich selber zurücknehmen. Das Spiel muss dann seine Überzeugungsarbeit selbst leisten – und wenn es die Chance auf eine längere Beziehung gibt, wird es das auch alleine schaffen.

Sicherlich sollten gute Erklärer:innen auch während des Spiels noch ein bisschen coachen, unterstützen, hin und wieder auf Fallstricke aufmerksam machen, Neulinge nicht bewusst gegen die Wand laufen lassen und für Fragen zur Verfügung stehen. Wenn sie das Spiel sogar selber mitspielen, gibt es nichts Schlimmeres, als wenn sie ihren Wissensvorsprung nutzen und auch noch gewinnen wollen!

Erklärbären sollten Folgendes können:

  • Die Spiele vorstellen und die Spielenden thematisch ein wenig abholen.
  • Die Regeln und den Ablauf klar und strukturiert erklären.
  • Dafür sorgen, dass sich die Spielenden im Spiel zurechtfinden und vor allem ihre Scheu vor Fehlern ablegen.
  • Die Spielenden bei den ersten Zügen begleiten ohne sie zu bevormunden, sie ermutigen und für Rückfragen zur Verfügung stehen.
  • Sich selber zurücknehmen und das Spiel für sich wirken lassen.

Wer solche Erklärbären findet, sollte sie gut festhalten (und auch gut bezahlen), denn sie sind rar gesät. Sie sind ein Segen für alle, die die Spiele kennenlernen möchten und auch ein Segen für die Verlage, denn sie sind gleichzeitig die wichtigsten Marketing- und Vertriebsmitarbeiter.

Carina Brachter, www.brettspielbox.de