Andreas - Cliquenabend

Andreas Buhlmann

Ob einem ein Spiel wirklich gefällt und Spaß macht, ist sogar für die wahren Brettspielenthusiasten schwer vorab festzustellen. Natürlich hat man einen Erfahrungswert aus der Vergangenheit, aus dem man schöpfen kann, man kann oft die Spielregeln vorab lesen oder zumindest eine kleine Spielbeschreibung, und man kennt natürlich die Arbeit des Verlages, Autors und ggf. des Redakteurs aus der Vergangenheit und kann seine Schlüsse ziehen. Viele lesen vorab schriftliche Rezensionen, hören sich Podcasts an oder schauen eine Videovorstellung, vielleicht hat man sogar selbst den Prototypen auf Events oder Messen gespielt. Letzteres halte ich für die beste Voraussetzung, um einzuschätzen, ob einem ein Spiel liegt oder nicht, ist aber sicherlich auch am schwierigsten zu bewerkstelligen. Der typische Spiele-Fan wird vermutlich alles tun und gerade die Reviews per Text, Audio und Video am meisten konsumieren. Er kennt inzwischen auch den Geschmack der Rezensenten und kann sich daran gut orientieren; es muss übrigens nicht immer so sein, dass man ein Spiel kauft, das eine bestimmte Person empfiehlt – ich kenne Beispiele wo gesagt wurde „Ich kaufe, das Spiel wenn es der Person XYZ nicht gefällt, da ich bemerkt habe, dass mein Geschmack genau das Gegenteil von dieser Person ist“. So hat jeder seine Quellen und Eigenarten. Extrem schwierig finde ich das Ganze, wenn es um Kinderspiele geht, denn hier kommt es nicht nur darauf an, ob das Spiel und die Mechanik gut sind, sondern hier kommen soviel mehr Punkte in Betracht, die man als erwachsener Brettspielfan zwar schätzt, aber auch gut drüber hinwegsehen kann.

Je nach Spielalter sind hierbei sicherlich wieder andere Kriterien wichtig bzw. wichtiger als andere. Ich möchte hier mal als Vater von zwei Kindern sprechen, wobei dies hier aktuell nur die ältere mit ihren aktuell 3 ½ Jahren betrifft, denn unser Kleiner ist mit seinen 11 Monaten generell noch zu jung.

Jedes Kind ist mit seiner Entwicklung unterschiedlich und so gibt es extreme Unterschiede von Kind zu Kind bezüglich seiner aktuellen Fähigkeiten und seiner Präferenzen. So kann das eine Kind schon gut klettern und hat eine super Körperbeherrschung, das andere zeigt schon große sprachliche Fähigkeiten, andere können schon super gut malen und/oder früh schreiben bzw. Buchstaben und Wörter erkennen und ein wieder anderes Kind hat eine große Fantasie. Je nachdem wird eine Spielmechanik also von dem Kind sofort oder sehr schnell begriffen und umgesetzt werden – oder es hat erstmal Probleme damit bzw. kann damit überhaupt nicht umgehen.

Eine Spielmechanik, die besonders oft in Spielen verwendet wird, ist sicherlich der Memo-Mechanismus, und das auch nicht ohne Grund. Immerhin können sich Kinder grundsätzlich gut Dinge merken und sind hier deutlich fitter als Mama und Papa. Aber das alleine ist es nun mal auch nicht. Hinzu kommt der generelle optische Reiz des Spiels. Ich nenne das liebevoll den inneren Monk. Der ist zwar bei uns Erwachsenen auch teilweise sehr stark ausgeprägt, aber so stark wie bei einem Kind sicherlich nicht. Ein paar Beispiele, gerade für diejenigen, die (noch?) keine Kinder besitzen?

„Hey, Papa/Mama, sitzen sonst aber immer da“ und dann rummachen bis man sich umsetzt. „Das ist Papas T-Shirt, das darfst du nicht anziehen“ an Mama. „Ich will aber auf den grünen Stuhl und nicht den holzfarbenen“, und die Kinder streiten sich Minutenlang wer da sitzen darf. „Das sind aber nicht die selben Farben im Perplexus wie von dir daheim, den neuen mag ich nicht.“ Alles 1:1 so erlebt und noch mehr. Hach.

Somit ist bei einem Kinderspiel die Optik vom Cover und Spielmaterial essentiell wichtig und kann hier schnell ein Kind gewinnen oder verlieren, so dass es gar keine Lust hat, sich damit zu beschäftigen. Hier hilft es auch bei den ganz jungen (ab ca. 2 ½ Jahre), wenn das Spielmaterial auch für andere Dinge verwendet werden kann (z.B. als Bauklotz oder kleines Rollenspiel mit den Figuren etc.). Hinzu kommt die Ungeduld, die auch wieder von Kind zu Kind verschieden ist. Dauert hier also der Spielaufbau zu lange und/oder macht dabei keinen Spaß, hat das Kind ggf. gar keine Lust mehr auf das Spiel. Auch wird natürlich erwartet, dass man das Spiel sofort losspielen kann und nicht erst die Regel gelesen werden muss. Und wenn Mama oder Papa die Regeln lesen müssen, sollte es in zwei Minuten fertig sein, und man wird ständig gefragt, „bist du fertig?“, oder auch hier verliert das Kind die Lust.

Frustfaktor kann auch eine große Rolle spielen. Ich persönlich bin ein großer Freund davon, dass ein Kind schnell lernen sollte, richtig zu gewinnen und richtig zu verlieren. und das ist tatsächlich etwas Arbeit. So muss man dem Kind zeigen, dass verlieren nicht so schlimm ist, indem man es ihm gut vormacht und auch das richtige Gewinnen zeigen. Trotzdem haben die Kinder natürlich Phasen, wo sie gewisse Dinge nicht einsehen und nicht gut finden. Da sollte man dann mit dem Kind in Ruhe darüber sprechen oder auch mal einen Schlussstrich ziehen, das Spiel wegräumen und es dann später nochmal hervorholen, wenn das Kind sich wieder beruhigt hat. Natürlich gibt es auch kooperative Spiele, und das hilft, aber wenn man dem Kind es richtig vormacht und mit ihm bei allen Spielen über Gewinn, Verlust und auch das gegnerische Ärgern (z.B. durch Figuren schlagen) spricht, wird es schnell besser.

Außerdem ist die Frage, ob das Spiel auch vom Kind selbst aufgebaut werden kann und es somit Verwendung findet, wenn andere Kinder vor Ort sind oder auch mal zum alleine Spielen beschäftigt. Dabei ist dann auch wichtig, ob das Spielmaterial ungefährlich ist – einmal für das Kind selbst und zum anderen für die jüngere Schwester/den jüngeren Bruder, wenn es offen liegen bleibt (Thema: verschluckbare Kleinteile – denn da muss man echt tierisch aufpassen, da selbst ein recht großer Würfel auch in den Mund passt und dann gefährlich wird – auch hier spreche ich leider aus Erfahrung, und jeder Elternteil weiß, dass sowas manchmal in Sekundenbruchteilen passiert, selbst wenn man eigentlich aufpasst wie ein Luchs).

Zu guter Letzt gibt es dann noch den Punkt: ob das Spielmaterial die Belastung durch das „Kinder“-Spielen aushält (was je nach Spielmaterial und Kind auch heute nicht selbstverständlich ist), ob sämtliches Spielmaterial vom Kind so einfach selbst zu bedienen ist und ob es am Ende des Tages dem Kind und Mama und Papa Spaß macht.

Viel zu beachten, wie Ihr seht. Natürlich händelt das jeder etwas anders und ein Allheilrezept gibt es nicht.

Ein Tipp ist hier vor allem, das Spiel vorher zu betrachten und sich in sein Kind hineinzuversetzen. Aber auch hierbei wird man oft überrascht, so war ein Spiel z.B. erstmal für das Kind zu frustig oder zu viel Ärgerfaktor in den ersten ein bis zwei Partien oder zu schwierig. Das merkt man natürlich sehr schnell (es gibt ja nichts ehrlicheres als ein Kindermund) und steuert gegen. So stellen wir das Spiel dann erstmal weg und man probiert es halt sechs bis zwölf Monate später nochmals, oder es war einfach der falsche Zeitpunkt oder die falsche Herangehensweise. Tatsächlich kann man ja auch bei vielen Spielen mit dem Kind Spaß haben, auch wenn man es nicht 1:1 nach den Regeln spielt und das Kind dann in die Regeln Stück für Stück reinwächst (z.B. bei Geschicklichkeitsspielen).

Sicherlich kann man diesbezüglich auch jeden Punkt einzeln aufgreifen und hierüber noch sehr viel länger sprechen (was ich sicherlich in Zukunft auch noch tun werde). Vor allem bin ich auf Euer Feedback gespannt und vielleicht Eure absolute Top- oder Flop-Geschichte, wie Ihr bei einem Spiel sowohl positiv wie negativ überrascht worden seid.

– Andreas Buhlmann, www.cliquenabend.de