Juror: Daniel Niemann – The Spielträumers

Das Sammel- und Bluffspiel Adel verpflichtet von Klaus Teuber tritt gegen das mit einem überraschend kurz geratenen Titel gesegnete kooperative Stichspiel Die Crew reist gemeinsam zum 9. Planeten von Thomas Sing an. Wollen wir doch mal sehen, wie sich die beiden Rivalen schlagen. Denn auf den allerersten Blick haben sie unheimlich viele Gemeinsamkeiten: beide Spiele sind prinzipiell Kartenspiele, und in beiden kommen Karten in zwei verschiedenen Größen zum Einsatz.

Nun liegen aber 30 Jahre zwischen Adel und der Crew – in dieser Zeit ist die Brettspieltechnologie sicherlich wahnsinnig fortgeschritten, möchte man meinen, so dass die Frage, welcher der Titel nun den Sieg davon tragen mag, sicherlich eine rhetorische bleiben muss. Natürlich wird das neuere, modernere Spiel die Astronautennase vorne haben.

We have the technology!

Analysieren wir aber zuerst beide Spiele getrennt. In Adel verpflichtet versuchen wir als betuchte*r Bohémienne respektive Bohémien unsere Mitspielenden mit einer möglichst großen und wertvollen Sammlung an Kunstgegenständen – bebuchstabte Karten in Reihenfolge – zu beeindrucken und auszustechen. Dafür treffen wir in jeder Runde die Entscheidung: wollen wir protzen und ausstellen und dadurch auf der als Schlosslandschaft getarnten Punkteleiste vorwärts gehen? Oder lieber das Auktionshaus besuchen, um dort unserer Sammlung neue Exponate hinzuzufügen? Neben dem Erwerb eines neuen esoterischen Ausstellungsstücks – zum Beispiel Bierwerbungsschilder und Louis Armstrongs Trompete sind verfügbar – können wir auch einen Dieb losschicken, um die gebotenen Scheine der Mitstreiter*innen abzuzocken. Bei einer Ausstellung lässt sich außerdem mit dem Dieb eine Ausstellungskarte mopsen oder mit einem Detektiv ebendies verhindern.

Durch Dieb und Detektiv und die geschlossene Ökonomie – im Verlauf der Partie wird kein Geld mehr von außen zugefügt – ergeben sich herrliche Zwänge der Kategorie „Ich denke, dass Du denkst, dass ich plane, den Dieb auszuspielen“ (Vulkanier dürfen gerne noch ein bis drei weitere Gedankenschleifen anhängen). Im Kern besteht ein Zug daraus, abzuschätzen, was wohl die Konkurrent*innen planen, mit genügend Anhaltspunkten, um die Entscheidungen nicht beliebig werden zu lassen.

Konventionelles Stichspiel … im Weltall!

Kommen wir zur Koop-Kartenklopperei Die Crew reist gemeinsam zum 9. Planeten. Hier haben wir es mit einem klassischen Stichspiel mit Farbbedienzwang zu tun. Eine Karte wird ausgespielt, die Mitspielenden entscheiden sich für eine Karte der gleichen Farbe, und am Ende der Runde gewinnt die höchste Karte. So weit, so bekannt, so konventionell. Der Twist ist hier: wir spielen kooperativ und versuchen, gemeinsam diverse Aufgaben zu erfüllen. Zum Beispiel: Spielerin A muss die grüne 7 gewinnen, Spieler B die blaue 4, und Spielerin C die gelbe 5. Verkompliziert werden die Ziele teilweise durch weitere Vorgaben: die grüne 7 muss im ersten Stich des Durchgangs gewonnen werden, die gelbe 5 in einem späteren, allerdings zwingend vor der blauen 4. Typische Stichspieltugenden wie Ausspielrecht erkämpfen, Fehlfarben abwerfen und das Schmieren werden abgefragt, und nach einer erfolgreichen Partie wird meist direkt eine weitere begonnen, mit neuen Auf- und Vorgaben.

Avantgardistisches Ablegen oder adeliges Anhäufen?

Kommen wir jetzt zu dem – natürlich 100%ig objektiven – Vergleich der Kandidaten. Erstens: das Material. Beide Spiele sind kartengetrieben und besitzen sowohl große als auch kleinformatige Karten. Adel verpflichtet (FX Schmidt, später Alea) hat hier die Nase mit seinen 95 Karten gegenüber den 76 Karten der Crew leicht vorne. Allerdings steuert der Kosmos-Verlag für die Crew nur noch ein paar popelige Pappmarker bei, die dann auch das vollständige Spielmaterial darstellen. Bei Adel verpflichtet liegen uns noch ein glorioser Spielplan und, nicht zu vergessen, fünf fantastische und ungewöhnliche hölzerne Prismenpöppel vor. Vorteil: Adel verpflichtet.

Zweitens: der Ablauf. Bei Adel blicken wir den Mitspielenden tief in die Augen, wohl wissend, dass unsere Sammlung existenzbedrohend in Stücke gerissen werden könnte, wagten wir es, den heimtückisch ausgespielten Dieben keinen Detektiv entgegenzusetzen sondern stattdessen die Kollektion auszustellen. Und so spielen alle gleichzeitig eine Karte aus, hoffend und bangend. Bei der Crew spielt man nacheinander je eine Karte aus. Gähn. Gepflegte Langeweile mit einem altbackenen Konzept.

Drittens: die Gestaltung. Der Spielplan bei Adel verpflichtet sieht einfach wunderbar aus. Schlösser, Auktionshaus, eine gedeckte Tafel, sogar ein Gefängnis ist zu erspähen. Bei der Crew hat man es nicht einmal für nötig gehalten, überhaupt einen Spielplan beizusteuern. Buh! Sparen am falschen Ort. Wie soll so – viertens – die Atmosphäre des Spiels unterstützt werden? Fühle ich mich bei der Crew so, als reiste ich gemeinsam mit meinen Mitspielerinnen und -spielern zum 9. Planeten? Wohl kaum. Beim Konkurrenten Adel verpflichtet benimmt man sich vornehm am Tisch, trinkt Champagner, bietet unglaubliche Summen auf haarsträubende Sammelobjekte und trägt stilsicher Monokel, Zylinder und/oder Federboa.

Jetzt kommt am Ende (fünftens) aber noch das große Ausschlusskriterium: die Spieldauer. Die Crew droht unverhohlen mit 50 (fünfzig!) verschiedenen Missionen bzw. Schwierigkeitsgraden. Eine Runde dauert vier bis fünf Minuten, somit kommen wir auf minimal 250 Minuten, Fehlschläge nicht mit eingerechnet – sie eingerechnet dürfte das Spiel sicherlich weit über acht Stunden dauern. Bei aller Liebe: ein Stichspiel trägt nicht über diese Dauer. Bei Adel verpflichtet steht nach einer halben bis dreiviertel Stunde fest, wer am besten gesammelt hat, das ist kurz genug, um bei einem Spiel dieser Kategorie nicht zu langweilen.

Ein Erdrutschsieg für den 30 Jahre älteren Klassiker Adel verpflichtet also, der seinen Rivalen Die Crew reist gemeinsam zum 9. Planeten im (Sternen-) Staub zurücklässt. Noblesse oblige eben.

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