Daniel Niemann

Daniel Niemann

Letztens habe ich mal wieder darüber nachgedacht, wann es einfach zu viel wird. Damit meine ich jetzt ausnahmsweise nicht mein zu volles Spielregal (obwohl das dringend auch ausgemistet werden müsste) sondern Neuauflagen und Erweiterungen. Next Station: Tokyo zum Beispiel. Die neue, bestimmt verbesserte weil komplexere Version von Next Station: London, welches nicht zu Unrecht zum Spiel des Jahres nominiert war. Hier habe ich ganz neue, schwierigere Aufgaben. Zum Beispiel eine Ringlinie, die bereits anfangs vorgegeben ist, und die möglichst oft gekreuzt werden will, und Außenbezirke, die für mehr Punkte sorgen, wenn ich dort Linien verbinde.

Es wird dadurch knobeliger. Schwieriger. Aber: wird es dadurch wirklich auch besser? Leider nein. Unübersichtlich wird es, und die Köpfe-nach-unten-Zeit steigt stark an, am Ende fragt man sich, ob die Komplexität die erheblich gesteigerte Spielzeit wert war. 

Zweites Beispiel: Es mag (besonders Gelegenheits-) Spielende* geben, die Carcassonne als lifestyle game ansehen, nur oder hauptsächlich den Klassiker aus dem Jahr 2000 spielen und dann mit möglichst allen Erweiterungen auf einmal auf den Küchentisch zwängen. Mir wäre das ja viel (viel!) zu anstrengend. Wie funktionierte noch mal das olle Burgfräulein? Wie war das noch mal mit den vermaledeiten Kultstätten?

 

Aus dem Spiel heraus

Das Tolle an Carcassonne ist, wie die Komplexität aus dem Spiel heraus wächst. Das Timing wird wichtig. Das Abschätzen: kann ich diese Stadt noch rechtzeitig fertig stellen? Oder, noch wichtiger: schaffe ich es, meiner Gegnerin noch einen Schmarotzermeeple reinzuwürgen, indem ich ihre Baustelle vergrößere? Dafür braucht es keine Erweiterungen, all das geschieht schon im Grundspiel. Es braucht keine unnötige zusätzliche Komplexität, keine weiteren Mechanismen. In der Grundvariante ist Carcassonne bereits stark genug. Ich brauche auch keine Plättchen, die vier separate Stadtteile aufweisen, nur aus dem Grund, dass es sie im vanillla Carcassonne nicht gibt. Für mich bitte nur das normale Carcassonne, ohne Erweiterungen aufgeblasen. Ok – der Fluss vielleicht, der verwässert das Spielerlebnis ja nicht wirklich (haha). Und die erste Erweiterung, die war ja auch gut. Und dann vielleicht noch die Händler … nein, halt, zurück: das Grundspiel reicht.

Und noch ein drittes Beispiel: meine Zombicide-Sammlung. Neben Black Plague und der Wulfsburg-Erweiterung und den ganzen Kickstarter-Promocharakteren und Zusatz-Zombies – die selbstredend alle nicht mehr zusammen in nur eine Schachtel passen, was ja auch logistische Probleme beim Transport aufwirft – gab es ja auch noch diverse Schwarzmagier und Monstren (von der Green Horde nebst Erweiterungen omeingottwashabeichgetan! ganz zu schweigen). Da man nicht mit dem ganzen Zeug auf einmal spielen kann bzw. sollte, ist der Spielaufbau ein einziges kaugummizähes Schachteltürmen, Karten sortieren, Material auseinander dividieren: schrecklich. Wenn ich schon eine halbe Stunde investieren muss, bevor auch nur der erste Würfel gerollt wurde, habe ich doch schon gar keine Lust mehr aufs Spielen. Also haben es die ganzen tollen Erweiterungsmöglichkeiten de facto einfach schlechter gemacht, weil ich Zombicide nicht mehr auf den Tisch bekomme. Eine Schande ist das.

Und so kommen wir am Ende doch noch völlig unbeabsichtigt zum zu vollen Spieleregal. Es gibt einfach definitiv ein „zu viel“. Die Lösung: beschränkt euch auf die wesentlichen Spiele, seid vernünftig und kauft nicht jede Erweiterung. Und spielt auch mal wieder ältere Spiele. Mein Rat an alle, die bis hierhin gelesen haben. Vielen Dank.

– Daniel Niemann, www.spieltraeumer.de

 


* das soll weder Menschen, die Carcassonne lieben, beleidigen noch das Spiel abwerten. More power to you, spielt doch, was ihr wollt, Hauptsache es macht Spaß. Lasst Euch nichts von snobistischen Besserspielern erzählen!