Letztens habe ich mich mit einem Arbeitskollegen unterhalten, der großer Fußball-Fan ist und seiner Lieblingsmannschaft gerne auch zu Auswärtsspielen folgt. Stellenweise nimmt er lange Fahrten quer durchs Land auf sichund manchmal sogar über Landesgrenzen hinweg, wenn es sich gerade anbietet und finanziell stemmbar ist. Im Sportbereich ist es für sehr viele Menschen total normal, diese weiten Strecken auf sich zu nehmen, um irgendwie am Geschehen teilzunehmen und „dabei“ zu sein.
Unser Gespräch hatte jedoch gar nichts mit Fußball an sich zu tun, sondern eher mit einer verhältnismäßig kleinen Reise meinerseits. Gerade erst diese Woche bin ich nach der Arbeit mit dem Zug von Köln nach Frankfurt gefahren, um bei einem kleinen Spieleabend mitzumachen. Als wir darüber ganz nebenbei gesprochen haben, konnte er es kaum glauben: „Nur“ für einen Spieleabend ca. zwei Stunden mit dem Zug fahren?! Und dann wieder zurück nach Hause?!
Er hielt mich für verrückt.
Lustigerweise war es in bisherigen Gesprächen für ihn zum Beispiel ganz normal, wenn ich für einen Abend zu meiner Partnerin fahre. Da wir eine Fernbeziehung haben, kommt es hin und wieder vor, dass man sich unter der Woche auch mal nur für ein paar Stunden trifft. Da heißt es nicht „Was, nur für ein Abendessen?!“. Diese Diskrepanz in den Sichtweisen auf die verschiedenen Gründe meiner Kurztrips in andere Städte fand ich sehr spannend.
Dabei ist es doch in vielen Bereichen recht normal, mittellange bis lange Fahrten oder gar Flüge auf sich zu nehmen, um, ganz einfach runtergebrochen, Spaß zu haben. Die eine Gruppe fährt stundenlang durch die Republik, um anderen Menschen 90 Minuten lang beim Ballspielen zuzuschauen, andere fliegen in andere Städte und Länder, um sich ein Konzert anzusehen – und ich nehme eben gerne längere Fahrten auf mich, um mein Hobby bestmöglich ausleben zu können.
Insgesamt sehe ich den Arbeitskollegen stellvertretend für einen Großteil der Bevölkerung, denn vielen ist gar nicht bewusst, in was für einem wundervollen Hobby wir uns da eigentlich bewegen. Ich habe erst kürzlich von einer bekannten Persönlichkeit die Theorie gehört, dass das Geheimnis für die „Anerkennung“ eines Hobbys oder ganz allgemein gesprochen einer „Sache“ in der Anzahl der Menschen liegt, die es machen. In seinem Beispiel hat er die katholische Kirche mit Scientology verglichen. Die katholische Kirche ist so groß, niemand würde es großartig hinterfragen, wenn eine religiöse Person erzählt, sie sei am Sonntag in der Kirche gewesen. Wenn nun aber ein Mitglied von Scientology quasi genau das gleiche erzählt, dann wirkt es direkt etwas … seltsamer. Du schaust dir ein Fußballspiel an und rastest vor dem Fernseher aus, weil es gerade so spannend ist? Gar kein Thema, ist ganz normal. Triffst du dich jedoch mit deinen Mitmenschen zum Jai Alai-Gucken, dann kratzen sich andere mit Sicherheit am Kopf. (Jai Alai ist übrigens so ähnlich wie Squash, aber stellt euch vor, die Wand, von der der Ball zurückgeschleudert wird, ist 55 Meter weit weg.) Das Hobby „Brettspielen“ ist mit Sicherheit schon auf einem guten Weg und die Anzahl der Menschen, die wissen was ein Deckbuilding-Spiel ist, ist vermutlich größer als die Anzahl der Menschen, die wissen, was der Nachfolger des baskischen Pelotaspiels ist.
Am Ende des Tages kann ich über die Reaktion des Kollegen grinsen und verstehe, dass wir aus unterschiedlichen Richtungen kommen, aber im Prinzip einfach nur beide für unser Hobby brennen. Wahrscheinklich hätte ich ihm sagen sollen, dass bei dem Spieleabend auch meine Partnerin anwesend war – dann hätte das ja alles einen Sinn. 🙂
– Dirk Roos, Ablagestapel