Dirk_Huesmann

Dirk Huesmann

Als ich im Jahr 2012 zum ersten Mal Kickstarter betrat und begann, mich mit Crowdfunding näher zu beschäftigen, war ich fasziniert von der Idee. Wir können zukünftig selbst mitentscheiden, ob ein Produkt interessant genug ist, um es zu realisieren. Dabei ging es zunächst eher um kleine Gadgets oder tolle lokale Projekte. Schnell wurde aber klar: da geht mehr. Und so war ich dem Kickstarter-Virus verfallen. Und ich entdeckte die Spielekategorie mit unzähligen interessanten kleinen Projekten von Indie Entwicklern. Dungeon Roll vom jungen Verlag Tasty Minstrel Games war das erste Spiel, welches ich unterstützte und an dem ich live mitbekam, wie toll sich solche Projekte entwickeln können.

Und heute? Kickstarter entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einem Erfolgsmodell. Nicht nur für Brettspiele, aber auf diese möchte ich mich mal beschränken. Es gab mittlerweile zigtausende Projekte, und es hat sich eine ganze Industrie gebildet rund um Marketing und Fullfilment der Projekte. Denn gerade bei den frühen Projekten war vor allem das Ausliefern eine der größten Herausforderungen. Insbesondere bei weltweitem Versand. Vieles hat sich seit diesen Tagen professionalisiert und verbessert. Aber nicht alles hat sich zum Positiven entwickelt. War Kickstarter in den ersten Jahren vor allem auch preislich ein interessanter Weg um an spannende (vor allem ausländische) Spiele zu kommen, so hat sich das für mich mittlerweile als Kanal für die Unterstützung und schlussendlich auch den Erwerb erledigt. Das hat vor allem den Grund, dass die Spiele einerseits ohnehin sehr teuer geworden sind, aber durch die Abrechnung von meistens hohem Porto und Mehrwertsteuern (VAT) auch preislich komplett uninteressant werden. 

Ich greife mal ein Beispiel aus der aktuellen Zeit heraus: Terrorscape inklusive der neuen Erweiterung und den Sortierkästen kostet mich bei Unterstützung auf der Plattform Gamefound etwa 170 Euro.

Ja, stimmt, man bekommt Goodies und die Deluxe-Version mit 3D-geformten Whateverest-Parts und zu allem Überfluss noch einen exklusiven Schachtelüberzug mit Goldprägung UV-Spot-Lack. Aber mal ehrlich: Braucht ein gutes Spiel das? Ist es mir das wert? Fragen, die man sich natürlich jeweils selbst beantworten muss. Für mich sind die Antworten mittlerweile klar: Nein, ich brauche das nicht unbedingt und ich bin nicht mehr bereit so viel Geld für ein Projekt in die Hand zu nehmen, das dann wenige Monate nach Ankunft meines Crowdfunding Exemplars von einem deutschen Verlag umgesetzt wird (mein Crowdfunding-Exemplar steht dann vermutlich noch verschweißt im Regal). 

Dazu kommt auch der Fakt, dass die Spiele mittlerweile teilweise einfach überproduziert sind. Und all das verteuert das Produkt natürlich weiter. Schon in meiner letzten Kolumne ging es genau darum. Die Kombination von Materialüberschwang mit den neuen Gegebenheiten bei Kickstarter (hohe Versandkosten und VAT) sind mir mittlerweile zu viel des Guten. Ich habe mich leider aus den meisten Crowdfunding Plattformen verabschiedet und warte auf die lokalen Releases. Das erspart mir auch die ein oder andere spielerische Enttäuschung. Aber das ist ein anderes Thema. Vielleicht für die nächste Kolumne …

Dirk Huesmann, www.wuerfelmagier.de