Jury-Arbeit ist Arbeit, bei der man nur alles falsch machen kann – oder doch nicht
Letztens … gab es ja die Spiel des Jahres-Verleihung. Diesen Text hier habe ich aber vorher schon geschrieben. Konkret am Freitagabend vor der Verleihung. Und ich habe mich gefragt, kann eine Jury (nicht zwingend die SdJ-Jury) eigentlich etwas falsch machen? Klare Antwort: Natürlich.
Abhängig von Ziel einer Jury kann sie sogar mannigfaltig scheitern. Und das Scheitern kann viele Gründe haben. Soll beispielsweise ein Charakteristikum eines Gutes (z.B. eines Brettspiels) gewürdigt werden, wäre es unschön, falls eine Jury nicht den gesamten Markt (und damit alle alternativen Güter, die in diesem Charakteristikum bewertet werden könnten) kennt. Sollen auch noch mehrere Charakteristika eines Gutes in Kombination als Beurteilungsgegenstand zusammen genommen werden, wird es beliebig komplex. Das beste Brettspiel küren? Unmöglich. (Außer natürlich bei meinem Lieblingsspiel!!1!11!) Also werden limitierende Leitplanken eingebaut. Das Spiel des Jahres soll möglichst viele Menschen vom Wert des Kultur- und Freizeitmediums Spiel überzeugen. Diese Jury möchte damit Impulse setzen. Sie wendet sich damit typischerweise nicht an diejenigen, die dies hier lesen (hoffentlich liest überhaupt noch jemand bis hier. Falls ja, sei gegrüßt!). Wichtig ist jedoch, dass die SdJ-Jury sich genau diese Leitplanken gesetzt hat. Hätte sie dies nicht getan, wäre sie quasi zum Scheitern verurteilt. Die Jury des innoSPIEL möchte Innovation in einem Spiel belohnen. Ein anderer Fokus, andere Herausforderungen – Innovation kann sich nämlich durchaus unterschiedlich darstellen. Die Jury des beeple Award will einfach nur gute Spiele auszeichnen. Diese müssen einem deutlich überwiegenden Teil der Jury ausgesprochen gut gefallen. Keine engen Leitplanken also, umso schwieriger manchmal die Meinungsfindung – und damit verbunden durchaus ein Risiko, überhaupt Preisträger zu finden.
Es gibt also solche generellen Gründe für ein potentielles Scheitern einer Jury.
Auf der subjektiven Ebene ist das natürlich noch viel extremer: Eine Jury kann ein Spiel gewinnen lassen, das mir nicht gefällt. Oder noch schlimmer: Sie ignoriert mein oben genanntes Lieblingsspiel. [Ironie] Dann ist eine Jury natürlich per se gescheitert. [/Ironie]
Bedeutsam ist daher, dass sich eine Jury einen deutlich formulierten Zweck gibt. Dass außerdem ein Fokus gesetzt wird. Und dass dann auch noch sichergestellt ist, dass eine Bündelung (unterschiedlicher) Kompetenzen in einer Jury vertreten ist. Eine Jury bestehend aus Liebhabern von Kommunikationsspielen wird wohl zum Schluss kommen, dass ein Kommunikationsspiel ganz toll ist. Manchmal ist es daher hilfreich, auch mal konträre Gedanken zuzulassen. Jury-Arbeit ist daher immer Kommunikationsarbeit. Und ja, es ist Arbeit.
Jürgen Karla (spielbar.com), 30.7.2020