Letztens gab es wieder diesen Moment, diese Frage, die ich fürchte: „Was ist dein Lieblingsspiel?“ Ich weiß nicht, wieso jede Person, die von meinem Hobby hört und nicht selbst aus der Szene kommt, immer wieder ausgerechnet diese Frage stellt! Man fragt doch auch nicht nach einem Lieblingslied oder einem Lieblingsfilm! Das ist auch so in etwa bislang immer meine Standardantwort gewesen: Es kommt auf Stimmung, Zeit und mitspielende Personen an. Ausweichendes Blabla halt.
Aber warum wehre ich mich eigentlich so dagegen, ein Spiel zu nennen? Es ist ja nicht so, dass ich irgendjemandem weh tue, wenn ich willkürlich eines meiner auf Boardgamegeek mit „10“ bewerteten Spiele nenne, etwa Blokus, Descent oder El Grande. Ist es die Angst, dass die nächste Frage zwangsläufig ist: Und wie oft spielst du das so? Worauf die Antwort dann peinlicherweise lauten muss „äh … also El Grande habe ich seit mindestens 15 Jahren nicht mehr gespielt.“
Ich glaube aber ehrlich gesagt nicht, dass dies der Grund ist. Das Problem ist vielmehr, dass hier zwei Welten aufeinandertreffen: Die fragende Person sieht aufgrund der persönlichen Erfahrung Spiele tatsächlich nicht in derselben Kategorie wie Musik, Film oder Buch, deren Bandbreite sie bewusst wahrnehmen. Diese Wahrnehmung fehlt bei Spielen, weil man bewusst nach Spielen suchen muss, um festzustellen, was für eine Bandbreite die überhaupt abdecken. Daher sind für sie Spiele im Kern zumindest ähnlich. Klar, Schach ist nicht Scrabble oder Mensch ärgere Dich nicht, aber für Leute außerhalb der Szene ist „Spielen“ unter Erwachsenen nun einmal etwas, für das man sich bewusst entscheidet, so wie gemeinsam Bowling gehen oder eine Weinprobe. Insofern ist auch das gemeinsame Erlebnis irgendwo ähnlich. Außerdem ist das Bild eines spielenden Erwachsenen, ein Bild, das jemand zeigt, wie er oder sie sich in ein Spiel reinkniet, wie etwa in Schach oder Catan oder so. Dieses Spiel wird dann Woche für Woche „trainiert“. Wie Schwimmen oder Fitness. Das fragliche Spiel muss dann natürlich das Lieblingsspiel sein.
Ich komme nun aber genau aus der Gegenrichtung: Mir macht gerade das Ausprobieren von Neuem Spaß. Ich kenne zudem das große Spektrum der Spiele und wenn ich auch Blokus und 1830 beide sehr gerne spiele, so spiele ich sie nicht mit derselben Gruppe und unter denselben Bedingungen. Für mich wäre daher eine Entscheidung zwischen den beiden genauso fremd wie mich zwischen Herr der Ringe und House of Leaves entscheiden zu müssen. Zwischen Serengeti darf nicht sterben und Pulp Fiction. Oder zwischen dem Rauch-Haus-Song und Slayers „Dead Skin Mask“.
Doch ich mag nicht nur nicht lügen, ich möchte auch keine falschen Erwartungen wecken. Wenn jemand, der so viele Spiele besitzt wie ich, ein „Lieblingsspiel“ nennt, muss das natürlich einfach das beste Spiel der Welt sein, das Nonplusultra. Dabei ist logischerweise gar nicht garantiert, dass dieser Person das Spiel gefällt. Als Person aus der Szene hat man bei Spieleempfehlungen immer ein bisschen die unbegründete Angst, mit einer falschen Wahl, sein gegenüber für alle Zeiten für „das Spiele zu verlieren“. Das ist zwar Quatsch – aber sicher ist sicher.
Früher habe ich immer ein paar Spiele genannt, die ich gut fand, aber ein paar Titel ohne Begründung zu nennen ist auch irgendwie sinnbefreit, vor allem wenn, die andere Person die alle nicht kennt. Also doch ausweichendes Blabla. Da ist man wenigstens auf der sicheren Seite.
– Peer Sylvester, www.spielbar.com