Macht gutes Material Spiele wirklich besser?

Mathias - CliquenabendLetztens habe ich mir mal meine Übersicht auf Kickstarter angesehen, um mir einen Überblick zu verschaffen, was eigentlich in nächster Zeit noch so alles an Paketen zu mir kommen müsste. Versteht mich da nicht falsch – im Vergleich zu vielen anderen Brettspielfans habe ich vermutlich so wenige unterstützte Kampagnen, dass darüber nur müde gelächelt werden würde.

Aber wenn mir jemand vor drei Jahren erzählt hätte, dass ich über 20 Projekte auf Kickstarter unterstützt haben werde (von denen aktuell noch neun ausstehen), hätte ich irritiert mit dem Kopf geschüttelt. Und da kommen ja auch noch 15 Projekte in der Spieleschmiede (hier steht seit Beginn dieser Woche nur noch ein aktuelles Projekt aus) dazu. Der Grund, warum es bei einigen Spielen dazu gekommen ist, ist aber zumindest bei vielen Kampagnen und Projekten ein ganz bestimmter: Das bessere Material!

Ich gebe zu: Ich bin immer wieder in einer Findungsphase, was das Verbessern von Material in Spielen und Zusatzmaterial betrifft. Mal sleeve ich Spiele, mal finde ich es nicht gut, Plastikhüllen zu kaufen, um Papier hinein zu stecken. Und immer wieder gibt es die ein oder andere Phase, wo ich das allgemeine Material wie Ressourcen in kleine Sammelboxen aus Elektronikläden packe, um es besser auf dem Tisch organisieren zu können – oder ich kaufe Schälchen und andere Aufbewahrungsbehälter. Auch Kartenhalter und spieler:innenbezogene Aufbewahrungsmöglichkeiten befinden sich schon bei mir zu Hause. Alles, um Platz zu sparen oder das Spielerlebnis besser zu machen.

Ein großer Fan bin ich auch von Metallmünzen, wenn es diese bezogen auf ein Spiel gibt. Und auch das ein oder andere Materialupgrade ist über den BGG-Store oder ähnliches bei mir eingezogen. Ich mag eine schöne Haptik und bin gerne bereit etwas mehr Geld dafür auszugeben. Zum Beispiel ärgere ich mich immer noch über die Tableaus bei Arche Nova, denn das Spiel ist wirklich super und verdient daher auch vollständig gutes Material, für welches ich auch gerne ein paar Euro mehr gezahlt hätte.

Aber macht tolles Material umgekehrt auch wirklich immer ein Spiel besser? Ist ein Spiel wie Arche Nova oder auch Terraforming Mars mit den dünnen Plänen unspielbar?! Natürlich nicht. Gibt es hingegen Beispiele zu Spielen, wo das Material wirklich toll ist, aber das Spiel nicht? Oh ja!

Ein Beispiel aus meiner eigenen Sammlung, was mir da immer in den Sinn kommt, ist Agra, welches bei Quined Games erschienen ist. Das Spiel hatte eigentlich alles: mit Worker Placement und Mehrheiten-Mechanismen, die ich mag, eine optisch ansprechende Gestaltung und vor allem viel schöne Holzmaterialien, die besonders gestaltet waren und ein beeindruckendes dreidimensionales Tableau mit Vertiefungen für Marker und Holzwürfel … und dann habe ich es gespielt – und war fassungslos. Ich wollte es doch mögen, denn es war schön und passte auch zu der Art von Spielen, die ich gerne auf den Tisch bringe. Aber es war nur mühsam. Spaß kam wirklich keiner auf und so wird es allein schon aus Platzgründen mein Regal bald verlassen. Nach nur zwei Partien. Zu mehr konnte ich mich nicht aufraffen … und ich kann nicht erklären, warum es seit über vier Jahren ohne Partie noch bei mir ist.

Aktuell hadere ich nun mit dem Spiel Rulebenders von Game Brewer. Auch hier: Zeitreise als Thema, Mehrheitenwertung, Handmanagement und das Material der Deluxe Ausgabe über Kickstarter ist wirklich klasse, und es hat schöne Aufbewahrungsmöglichkeiten für den Tisch, welche auch als Inlay dienen. Aber die Erstpartie hat mich auch hier ratlos zurückgelassen. Es ist nicht so gravierend wie bei Agra, aber ich bin unsicher wie viele Chancen es noch bekommen wird.

Was ziehe ich nun persönlich für Schlüsse daraus? Es ist kompliziert, denn einige solcher Spiele erwarten mich ja noch in näherer Zukunft. Aber ich glaube, dass ich künftig dem Charme von beeindruckendem Material nicht mehr so erliegen werde und lieber Spiele, die mir viel Freude bereiten versuchen werde aufzuwerten, wenn es sinnvoll ist … vielleicht ist auch das aber wieder nur Phase, bis das nächste mich blendende Projekt kommt. Ich glaube, wir Spieler:innen sind auch gerne mal leichtgläubig – und in unserem Hobbyuniversum dürfen wir das auch sein, oder?

– Mathias Rekasch, www.cliquenabend.de